POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2013-2014

Frank Klötgen: Der Neid

Die 7 Todsünden: Invidia. Der Neid 

Du wagst es Dich, an meiner Aura zu nagen –
Du vollends verkommene Brut aus Versagen
Und imbezil ehrloser Wertlosigkeit?!
Machst Dich hier als ein Scheißdreck breit,
Dem man gerne entzöge – im stillen Konsens –
Das weit're Überlebensrecht –
Zum Wohle der Menschheit und all ihrer Fans –
Dass so was sich nimmermehr fortpflanzen mecht!
Doch anstatt nu' ein Gnadenschuss "Ladenschluss!" knattert,
Hast Du Dir 'ne Abendeinladung ergattert
Zu diesem erhebenden Botschaftsempfang,
Dem ich, weiß Gott, ein Leben lang –
Inmitten all der Schädlichkeit –
Mit tadelfreier Redlichkeit
Wohlverdient entgegengestrebt,
So dass mir nun die Galle bebt,
Da aus dem Off der Pietät
Dein Klotzkopf stolz nach Anschluss späht,
Um sich einzufädeln in unsere Runde,
Und sich hechelnd erlächelt ein Plätzchen im Bunde.
Diese Anwesenheit ist ein Affront! Und ich tobe
Ob Deiner verdorbenen Abendgard'robe –
Diesem optische Seuchen entfachenden Tand!
Kerl, stellt das Spieglein an die Wand,
Das Dir bei H&M erzählte,
Dass der von Dir auserwählte
Anzug-Aufzug Dir wohl stünde –
Ich seh' dafür keine Gründe!

Doch gibt's ein Detail, das ich dennoch Dir neide:
Dieses Einstecktuch aus Seide,
Welches keck sich hervor reckt vom Brusttaschenschlitz
Und blickeködernd Dein Outfit bepierct –
Ein die Aufmerksamkeit an sich zerrender Blitz,
Mit dem Du nach Deinem Begrüßungsgeld gierst!
Eine aufdringlich röhr'nde Belanglosigkeit –
Die in solcherlei Umfeld nun freilich leicht auffällt,
Ja, wie ein Abszess in Gesprächsrunden schreit,
Aus dem Sakkosack derartig beißend heraus bellt,
Dass Du tatsächlich Blicke erntest,
Die Dir hier nicht mal im Entferntes-
ten ..., ähem – oh, ich verfluch'
Dieses lump'ge Einstecktuch!
Dessenart ich nutzte, ach,
Sicherlich schon dutzendfach –
Nur dass ich mich mit halbseid'nen Ungeschmeide
Einzukleiden wohl vermeide!
Du Henker der Textilgestaltung
Mit ungelenker Kronenfaltung,
Dass der Musterverlauf dümpelt krümmlich und stets schief ...
Oder ist's 'ne Hommage an des Tuchs Qualitätstief?!
Ja, da wollten sich die Seidenraupen
Doch wohl einen Scherz erlaupen?!
Diese Webfehler – lachhaft! Und abgrundtief peinlich.
Kerl, Dein Sakko an sich ist doch Schande genug, mein' ich!
Eine schlecht betuchte Grauslichkeit,
Die dennoch als Beschaulichkeit
In die Iris von Doris, der Hausherrin, mündet,
Deren Mündlein alsbald "Schönes Tüchlein!" verkündet
Und mit "Schön, dass Sie da sind!" Dein Kommen pläsiert –
Und ich steh' daneben, voll unkommentiert!

Der Gallensud sickert mir in die Pupillen,
Es ergrünet mein Teint, es erzürnt, es furort –
Fast infernalistisch geriert sich ein Willen ...
Und ungeniert denk' ich an so was wie Mord.
Tief inwendig sinnt es: Ich neide, ich neide
Dir Dein Einstecktuch aus Seide –
Weil's an Deinem Leibe stört
Und dort auch nicht hingehört!

Seid' hat mich vor Neid zerfressen –
Gut, nun wird zurückgegessen:

Zunächst korrigierend die Bauschung bezupfen,
Die Faltwinkel richten – schon wird eine rasche
Hinterhaltartige Kralle Dich rupfen!
Ich reiß' all den Seidenscheiß aus Deiner Tasche
Und stopfe unter Raun'n und Schrei'n
Das Tüchlein mir ins Mäulchen rein,
Um es dann zu der Leute Gucken
Awesome hart hinab zu schlucken!
Und trotz stoffverstopfter Stimme
Ich den Ausruf noch erklimme:
"Ach, pardauz, mein Herr, Pardon!
Hab' ich da Ihr Arrangement
Des Vulgären derangiert?
Tja, was soll ich sag'n? Passiert!
Kommt, stoßen wir aufs Wunder an,
Dass man auch als kleiner Mann
Hier im Hause landen kann!
Ach, Ihn'n fehlt grad das Getränk?
Nehm'n Sie dies (Schüttbewegung) als mein Geschenk!"

Plötzlich macht die Gesellschaft, zu der ich gehört',
So voll theatralisch auf Wir sind empört!
Selbst die Hausherrin voluminös sich entschuldigt
Und unbedacht Deiner Gewöhnlichkeit huldigt –
Jed' Stilempfindens unbedarft,
Nun mich mit bösen Blicken straft.

Ja, Undank ist der Welten Lohn –
Und unsanft greift zu mir auch schon
Der Sicherheitsmann, der mir kundtut, ich würd'
Vollzugsbeamtlich abgeführt,
Bekäm' zudäm, Schockschwerenot,
Noch lebenslanges Hausverbot.

Auch meldet sich bald dumpf vom Magen
Rumpfherum ein Unbehagen ...
Und das sorgt dafür, dass ich weiterhin leide
An dem Einstecktuch aus Seide,
Dass ich seidher Seid' für Seid'
Ausgeweidet werd' vom Neid –
Jener unvergnüglichsten aller Sünden,
Die so zur Verfügung stünden.

Nun, wie entkam ich diesem Tal?
Davon mehr dann nächstes Mal.


- zehntes Gedicht/Aufnahme 2013-2014



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