POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2013-2014

Frank Klötgen: Die Trägheit

Die 7 Todsünden: Acedia. Die Trägheit (gekürzte Slamversion)

Tiefdämmrig und aufgedunsen
Räk'le ich mich, tonnenschwer,
Unter sonnenfernem Grunsen,
Träg wie ein K.o.labär –
Belle müd', doch unverhohlen:
"Scheißwelt, bleib' mir bloß gestohlen!"
Und dann dross'le ich jed' Schnurzsein –
Mag mich gar nicht echauffieren –
Klemm' den Wutausbruch als Furz ein,
Lass' ihn lautlos rausspazieren ...

Ja, so schmiegt sich das Banale
Willig in das Scheißegale,
Staut sich als Gedankenmüll
Wirkungsfrei im Vestibül.
Nichts an mir wird sich bewegen
Und kein Muskel sich noch regen –
Ich lieg' im Leib so wie im Sarg,
Faul im Staate Gähnemark.

Oh, spotten wir dem Zwangssportiven
In seiner erbärmlichen Zwecklosigkeit
Und lehnen zurück uns im vegetativen
Nervengerüst, der Genüsse bereit!
Denn Schwelgen lässt sich am besten im Liegen,
Und nur Renitenz bremst der Hektik Intrigen.
Ich verklapp' all mein Zappelbedürfnis gelind
Im darmauswärts strömenden, würzigen Wind
Aus Flatulenz und Abstinenzler-Aroma,
Den Zwölffinger faltend, bet' ich mich ins Koma –
Und das soll doch, bitte, genug Tuung sein!
Schon fast wie erschöpft, reduzier ich mein Sein
Um mich gesättigt zu versenken
In das Reich Acedia –
Abgekappt von Stress und Denken,
Sanft zentriert im Wunderbar!

Wär' da nicht die Last des Atmens –
Das jahreinjahrausige Rein und Raus –
Jener ewige Zwang präasthmatischen Darbens
Des Lungen umschlungenen Lüfteverhaus!
Denn gleich, ob er wacht oder kauert im Schlaf,
Immerzu meldet mein Körper Bedarf
An Neuzufuhr von Sauerstoff –
Und nimmer kehrt da Ruhe ein!
Unentwegt möcht' ich "Enough!"
Oder Sinnverwandtes schrei'n.

Ach, dieses Atmen – es strengt mich so an!
Wer, der's statt meiner erledigen kann?
Na, Beatmungsgeräte – ich mein', gibt's die nich' auch
Für Menschen wie mich zum privaten Gebrauch?
Ich würde mir – nur, um nie wieder zu kau'n –
'ne Magensonde selbst einbau'n
Und denke, dass den Krankenkassen
Sicher wär' der Dank der Massen,
Bewilligten sie solch – von mir längst erflehte –
Chillige Lebensrelaxingpakete.

Ich will doch nur Ruhe, entschleunigte Gnad,
Möcht' elegisch erschlaffen, belastungsbefreit,
'nen jed' Hast entlastenden Heilsapparat –
Kurzum, Amnestie von der Körperlichkeit!

Denn soll dieser Wix mein Schicksal sein,
So will ich, Leben: Stelldichein!

Wiewohl doch die Ahnung mich stetig zerfrisst,
Dass Sterben ja auch eine Tätigkeit ist.

Und ich erblick' mit Unbehagen
Allseits Klippen um mich ragen –
Man scheint dem Reich Acedia
Auf ewig unerreichbar nah!

Und wie durchschreitet man solch Tal?
Davon mehr beim nächsten Mal ...

- achtes Gedicht/Aufnahme 2013-2014



- zurück auf poetryslamgedicht.de -