POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2013-2014

Frank Klötgen: Der Zorn

Die 7 Todsünden: Ira. Der Zorn

Na klar, ey, ramm' hier ruhig satt in mich rein!
Ach, wer bückt sich denn heut noch fürs Rücksichtsvollsein?
Ja, die Gänge im Zug sind echt elendig eng –
Und wenn man sein Handy grad bändigt, ich denk',
Dass man da zwangsläufig in irgendwen wummert,
Der just zwei Minuten lang selig geschlummert ...
Na, es ist Gott sei Dank ja nichts wirklich passiert –
Ein Teil Deiner Cola hat sich zwar verirrt
Und sich sintflutig wütend aufs Tischlein ergossen,
Ist von dort auf mein leidendes Beinkleid geflossen,
Das zur wohlfeil aparten Textilie gewebt,
Nun von billiggesöffigen Sprenkeln verklebt.

Mit dem Handy zumindest ist alles o.k.?
Dem gilt ja das Gros Deiner Sorge – ich seh'
Schon, ich stör' bei der höheren Gör'nunterhaltung?
Nee, ich schwör' Du – hat Zeit mit die Schadensverwaltung!
Führ' Du bitte erst Dein Gespräch noch zu Ende –
Ich mein', irgendwie hat man ja doch nur zwei Hände!
Ich bewache derweil diese schmachvolle Lache,
Die da wacker vom Rand meines Tischplatzes schwappt,
Und lausche dem Output an Teenagersprache,
In der es grammatisch nicht immer gut klappt ...
Doch all der gehörte Rest Wörtergebein –
Er stört mich echt nicht im Geringsten, oh nein:
Ich bin ein ganz Verständiger,
Mein kleiner Handybändiger!
Und ich achte das machtvolle Unbedarftsein –
Jenes flach in die Welt "Is do mir ejal!"-Schrei'n –
Selbst die roh'ste Unverfrorenheit
Bin ich jed' Tor'n zu zeih'n bereit,
Weil letztlich ja die Geste zählt,
Mit der er sich dann zur Entschuldigung quält.
Und sehet: Das, was mir hier aufgetischt,
Wird nun großflächig mit 'nem Papiertuch verwischt!

Ja, klasse – so klebt's wenjstens überall!
Na, Reinlichkeit, seh' schon, ist nicht so Dein Fall ...

Nein, ich bitte Dich – das kann doch jedem passier'n!
Nur abgeseh'n davon, würd' mich int'ressier'n:
Wie viel Quentchen der niedersten Hirntätigkeit
Hält man sich für solcherlei Leben bereit?
Kann man als Besitzer solch langsamer Mühlen
Noch irgendwas denken, noch irgendwas fühlen?
Und bevor wir jetzt leicht aneinander geraten,
Warn' ich Dich im Guten vor:
In mir gärt die Wut von gut zwanzig Granaten,
Tollt grollend ein bollernder Höllenfuror –
Und faucht der erst hervor mit gar brünstigem Graus,
Wirkt sich das auf Dritte eh'r ungünstig aus!

So ganz zwanglos hast Du Dich vom Anstand befreit!
Auch mangelt's Dir merklich an Einsichtigkeit.
Doch heißt's selbst bei Reue "Nö, führ'n wa grad oo nisch!",
Straf' ich dies drastisch bis drakonisch!
Denn Verhalten braucht Berichtigung –
Am besten halt per Zichtigung!

Und wenn in mir der Ingrimm glüht,
Wird alsbald herzlich schmerzlich klar,
Dass Dir ein Strauß von Unheil blüht –
Die Cola goes Choleria!

Nun, Verlegenheit lenkt Dich zu unsich'rem Lächeln,
Zum "Hat er jetzt nicht so gemeint, was?"-Erhecheln –
Jener doofbratzig schleimenden Statuserhaltung:
"Wir sitzen doch alle gemeinsam im Zug ...!"
Mag sein. Nur das schützt Dich halt nicht vor Gewalt, Jung',
Deren Zügel ich hielt – aber nu' is' genug:
Und schwuppdiwupp wird der Herr Anstandsvergesser
Per Watsch'n'Klatsch blutender Tischkantenfresser!

Und itzo, da der Hieb vollstreckt,
Ein Schneidezahn im Tischbrett steckt.
Zwei weitere Beißerchen spuckst Du hervor –
Oh, welch effektiv trefflicher Schlag ins Kontor!
Zu dem hat vergeltend der Herr mich ermächtigt –
Denn, hey, schließlich bin ich erziehungsberechtigt!
Und Zug um Zug wird auch in Zügen mit Zucht
Allzu Verzog'nes zu zügeln versucht.
Denn Verhalten braucht Berichtigung –
Am besten halt per Zichtigung!

Doch windet sich's Opfer vor bitterstem Winseln –
Moralisch gereinigt durch blütigste Pein –
So gilt's, dem Gequälten die Seele zu pinseln!
Dann darf zum Eleven man sanftmütig sein:
"Och, tat er denn sehr weh, mein lehrreicher Dorn –
Der Handstreich, der jäh Dich versehrte im Zorn?
Gut, dass die Buß' uns beider Lohn ist,
Weil Du, Bursch, leider nun mein Sohn bist,
Dessen redliche Reif' mich seit ehedem kümmert –
Und sei's, dass man darum 'ne Zahnreih' zertrümmert.
Ich zahl' ja für den Kau-Ersatz,
Weil ich Dein Vater bin, mein Schatz!"

Nur zählt dentales Schädenrichten
Zu den monetär prekären
Rechnungsstellungsschwergewichten.
Doch was, frag' ich, soll mich das lehren –
Schlag' nie zu roh keen kleenes Kind,
Wenn's schon die zwoten Zähne sind! – ?

Schon grämet mich Dein Zahnfleischgrind,
Den ich in Kauf nahm, zornesblind –
So ward ich Tropf per Kantenklopfer
Gleichsam Täter wie auch Opfer.

Nur, ob ich dafür wirklich zahl' ...?
Erzähl' ich Euch beim nächsten Mal!


- sechstes Gedicht/Aufnahme 2013-2014



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