POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2013-2014

Frank Klötgen: Die Wollust

Die Sieben Todsünden: Luxuria. Die Wollust

Luxuria, Luxuria –
Mein Welthorizont klemmt sich um Deine Hüften!
Ich bin denkbegrenzt für immerdar
Und hörig den von dort entströmenden Düften –
Du Euter von Wölfin, Du Goldenes Kalb,
Du gottesdienstmägdige Götze voll Salb!
Dein Saftschoß birgt Ozeans Brodem und Branden –
In Deinem Gestad' will ich schiffbrüchig landen!
Oh Seesack-Balsam, öffne Dich
Vor praller, draller Rolligkeit
Und führ' in Dein Gehöfte mich,
Von aller Folgsamkeit befreit!
Lass' mich in Deinem Weinberg nesteln,
Mit strammen Stamme an Dir ästeln!
Mit Dir symmetrier'n will ich mich und kontrasten,
Will die teigige Heimat der Rundung'n erkunden
Und fromm Deiner Pracht Dimensionen betasten –
Durch In-Dir-Versunkenheit sündig gesunden!

Seit ich weiß, was Erschöpfung ist,
Erscheint des Schöpfers Schöpfung trist.
Und vor von Verboten betroffenen Toren
Ward jedem Gott schon abgeschworen!
Drum Luxuria, Du Zier und Hur' –
Ach, akzeptier' auch meinen Schwur!

Wie viele der Unschuld holder Jungen
Hat wohl Dein Leib voll Weib verschlungen?
Wenn die Scheu schamlos abfällt wie Seidenpapier
Vom eingehüllten Rosenstrauß,
Sich der Anruch entströmt aus dem hungrigen Tier –
Wem weiten sich nicht schnell die Schwellkörper aus?!
So zog's in Deinen Sog mich rein –
Mag nur noch zoologisch sein!
Ich limitiere mein Selbst auf die gierige Tierheit,
Verliere mich entgaloppierend in Dir – reite
Weiter, arkadischer Sinnenfuror,
Du Begehren verzehrender Amokamor!

Graziös entwölbt sich Deine glitzernde Schlucht
Wie ein tiefere Schätze verbergender Raum –
Ich schlürfe aus der Meeresfrucht
Verblüfft einen erdtrüffelsüffigen Schaum ...
Oh, das funkelnde Purpur eingespeichelter Eicheln –
Gelinde beglimmt's ein mimosiges Fleh'n!
Es bettelt: "Will nur, nur liebkosendes Streicheln
Und in aprikosigen Säften vergeh'n!"
Schau, die Eruptivkraft Deines bebenden Beckens
Entlädt sich als Schauder belebender Lust –
Und taubzüngig ob des Einanderbeleckens
Flüsterst du tonlos: "Ich will!" und "Du musst ..."

Ölnass verschwitzt bleckt die Haut vor Verlangen –
Alles duftet drüsig auf –
Ja, noch scheint hier keine Sekunde vergangen
Vom ehemals gültigen Zeitenverlauf!
Denn Gültigkeit besitzt nur Du –
Wiederkäuend, immerzu
Stau'n sich Libido-Dosen in Wülsten und Mulden –
Da mag ein Asket sich, vertrocknend, gedulden!
Du kaperst mich als nimmersatten,
Sittenlosen Rittergatten,
Bittest sein Stilettolein
Stetig in Dein Ghetto rein!
Und die Schärfe des Dufts Deiner mächtigen Achseln
Erhebt zum Befehl das "Na, mogst no' ma' schnackseln?" –
Denn fraglos gebührt Dir mein Triebe-Kotau,
All das leimige Fluten vom Bauchunterbau.
Du aus Marshmallowmasse gegossenes Glück,
Du die Malakologen verzückendstes Stück!

Meine tief in Dir gründelnde Leibeuphorie
Drängt alles in Vergessenheit ...
Selbst die vom ewigen Doggystyle schrundigen Knie
Sind nur Ablass der Besessenheit!

Lass' uns aus dem sonoren Keuchen
Drohende Ermattung scheuchen –
Und weiterhin innig ineinander verweilen,
Derweil die traktierten Geschlechtsteile heilen!

Doch die Myrrhe enttropft einst pulsierenden Lenden –
Gebläut absorbier'n sie den blässlichen Sekt –
Und fast wie betäubt, ahn' ich: Hier wird es enden.
Und geleeartig schmerzt, was da in Dir gesteckt.

Dir, Luxuria, hängt wunderbar
Der Duft unsres durchwühlten Bettzeugs im Haar,
Der jasminfrisch geschlüpft, nun lilienschwer
Setzt über Richtung "Will nicht mehr!"

Wir liegen gänzlich unbedeckt,
Wie von üppigen Bauchschüssen niedergestreckt.
Abgeschöpft und ausgemergelt
Japst das Fleisch, geheimnislos,
Halbverzehrt und eingeferkelt –
Fernab früh'ren Reimniveaus.
Bald riecht Dein Schweiß wie Ammoniak,
Wie oft getrag'ner Anorak ...
Noch röchelt etwas Restverlangen,
Doch das Fest scheint schon vergangen.
Durchschmort der Draht, geplatzt die Blase,
Mein Bissreflex bewegt nichts mehr –
Der Exitus stupst die Ekstase
Zum Jingmajutjetzschlechtsverkehr.

Heißt das denn nun, Luxuria,
Dass alle Lust ein Trugschluss war?
Ach, währt denn die Begehrlichkeit
Dann nur konträr zur Ehrlichkeit?

Nun,
Verflacht auch der Wunsch, manch Hinterbacken
Triebverbindlich anzupacken,
Und man murrt die Minne matt,
Unbegeistert, sinnensatt –
So wird die Welt im Träumerischen
Dir, oh Wollust, nie entwischen!

Dort stell'n sich Dir zur Wiederwahl
Alle Glieder auf zum Pfahl –
Denn eins ist klar, für immerdar:
Sie bleiben Dein, Luxuria!



- vierzehntes Gedicht/Aufnahme 2013-2014



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