POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2008-2010

Frank Klötgen: Du in den Daunen

Du in den Daunen

Du in den Daunen
darunter gedeckt
Du, die das Dunkel
bemunkelnd versteckt
Ich hör', wie dein Atem verlor'n übers Deck' streicht
und sauerstoffsüß jeder Hauch ein- und ausweicht
Ich lausch' diesem Wechsel von Lunge und Nüstern
gleich domestiziertem Astrallyrikflüstern
Doch nun zeigt sich vom Schlaf aufgetaucht dein Gesicht:
"Sach'ma, is' irgendwas?! Wieso schläfst du denn nicht?"

Nun, wie sollt' ich schlafen in dieser Nacht?
Ich bin koffeiniert und bin völlig durchwacht
Und wie würd' ich schlafen, wenn's trotzdem gelänge
auf wild perturbierendem Nervengestränge?
Merkst du nicht: Unsre Liebe, die Perfektionierte
bangt wie in den Sumpf einer Scheißwelt Verirrte
Das werd'n die uns nicht durchgeh'n lassen
wie wir mit Pheronomen prassen
Da gieren schon Tragödienschreiber
der Katharsis wegen "Gudde Laune!"-Vertreiber
Die laden jetzt zum Fehltritt-Casting
schrei'n scheinheilig entsetzt: "Das war's!" – Dringen
Dichter ins Glück, fügt sich nichts mehr zusammen
da hilft auch nicht, sich ineinander zu rammen
da werden wir zwei auseinandergekeilt
dann sprotzt's aus 'ner Wunde, die nie mehr verheilt
Unser Leiden soll anderen Leuden beschein'jen
man könnt' sich d' Seel' mittels Mitleid berein'jen
und wenn's nie
so schlimme war, wie's is'
dann weeste, wat Katharsis is'

Oha, das hat sie aufgeweckt
aus Morpheus' Tiefen raufgeschreckt:
"Mensch, gib doch ma' Ruhe, ey – ich brauch' meinen Schlaf!"
Dann erklärt sie mir noch, was ich soll, was ich darf
Doch wie sollt' ich schlafen in dieser Nacht
da bald ohne Erbarmen
uns Dramen umarmen
und Shakespeare'sche Viren
wirr von Wein, Shakes und Bieren
uns tragödisieren und zum Plebs-Fraß servieren?
Und wie würd' ich schlafen, wenn's trotzdem gelänge?
Ich sagt' es bereits, noch mal in aller Strenge:
Dies ist hier keine Chill-Outzone
wo Schiller haust und Griechen woh'n
Die griechen nie genug Affekt
– von dem in uns ja reichlich steckt –
für den Umkehrschwung ihrer lyrischen Launen
Ich bar jeder Hoffnung
und du in den Daunen

... schnorchelst Schlaf hinterher
wie verlorenen Jährchen
doch: "Es ist die Nacht egal
und nicht die Pärchen!
Es ist die Nacht e ..." – da fährt sie mich an:
"Mensch, Alter, was nervst du?!
Es reicht, Mann!" und dann
entsteigt sie den Daunen, um das Spiel zu beenden
schnürt sich die Schuh' mit gebundenen Händen
und lächelt gequält zum Krakeelen der Nachbarn
weil sie gar nicht versteht, dass die eh schon längst wach war'n
Die rüsten sich zum Schlussapplaus –
eh der erklingt, ist sie längst raus!
Und ich sitz' da als Übrigbleiber
und Spielball der Tragödienschreiber ...

Und ihr!
Hat es euch was gelehrt
und war es die Erkenntnis wert?
Ließen süßer Rausch und hernachfolg'ndes Scheitern
euch den Ethos erkennen und die Einsicht erweitern?
Schoss euch auch Mitleid durch die Därme
und gab der Furz des Schicksals Wärme?
So habt von Weisheit ihr gekostet
auf meines Glückes Kosten hosted
by Shakespeare, Aristoteles,
et cetera und Co – es lässt
den ein'n oder andern erschaudern und staunen
doch von mir gibt's ein bockiges "Buh!" aus den Daunen

Vielleicht auch noch ein Wort an die Leidensgenossen
ihr von Amors Pfeilspitzen waidwund Geschossen-
en: Wenn
die Schicksalsschlagdrumsoliwucht auf euch kracht ...

Knutscht mit der Bassistin
und dann: Gute Nacht!

- achtes Gedicht/Video 2008-2010



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