POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2008-2010

Frank Klötgen: Mehr Kacheln!

Mehr Kacheln!

Ich hab' noch im Keller 'n Stapel Kacheln
und darauf ruht ein Schächtelchen Moltofill
aus dem Kalkwerk von Thomas Bernhardt, du Arsch!
Ja, im Keller dreh' ich manchmal durch, wenn ich will

Dann stäubt vom Allzweckregal der Zementsack
und mein Timbre mäandert von seidig nach bleiern
und klebt auch der Boden vor solch Sedimentkack
Hier will ich heut Abend ein Nuttenfest feiern

In den Estrich fräs' drum ich ihr Gildenabzeichen
Klapp' den Campingstuhl auf und schaff' Platz für die Damen
Aber wird für die Party ein Polsterplatz reichen?
Und geht es nicht eh nur um Schminke und Sam ...? Ach,

Bikini, Bikini
Klavierspiel – Klavierspiel
Ach, Rimininini
und Schokrokoladil
Oh, Wellnesswalnuss und Kopfschmerztablette
Da plötzlich erkenn' ich die Staubsilhouette
von Gattin Martina, schon tönt auch ihr Mund:
"Was machst du hier unten?" und "Wo ist der Hund?"

Ja, das mit dem Hündchen, nun, wie soll ich es sagen ...
magst du mich noch mal in 'n Stündchen nach fragen?
Weil ich jetzt grad die Spur verlier'
zum guten treuen Hundetier
Soviel vorab:
Du erinnerst den Halskrausentrichter
der mit weißer Plaste den Hundskopf geschützt?
Ja, infektiös sind die Schnauzengesichter!
Doch ich denke, der Töle hat's echt was genützt
Nun, ich nutz' den Trichter als Schallraum und Staubschutz
im Rahmen der kellernen Heimwerkarbeiten
Hier wirbelt ein Bronchienkarthargo von Hausschmutz
die Essenz vom in tief're Geschosse gespeiten
ungeliebten Überfluss,
der Jahr um Jahr im steten Guss
und Ruß wie Rost uns untermauert
dass jeder Ordnungssinn erschauert
Auf deren Stockfleck-Schimmelsuren
schabt' ich im Kalkstein Korrekturen ...
Und wenn ich mich derart ergeh' hier im Staube
schützt mich nun Hassos Hundehaube!

Schau, den Trichter arretiert' ich mir
mit je zwei Bügeln, die ich hier
durchs Ohr gebohrt mit meinem Messer –
das könnt' auch ein Chirurg nicht besser!
Ich hab noch zwei Scharten ins Jochbein geritzt
und da muss man schon sagen: Der Trichter, der sitzt!
Und Martina, was meinst du, wie's innendrin klingt
wenn steil das Fräsmaschinchen singt?

High Lohengrin!
Ach, Paradontose
Old Shatterhand
und Baccararose
Ui, Blasenohr vom Blasrohrchor
Da: Quittungsblock! Und Plüschdekor
Und jetzt fragt Frau Martina, ob sie wohl recht sehe
dass der schwere Zementsack im Hochregal stehe
"Ist wohl unten kein Platz mehr, hä? Das ist der Grund!
Und ich frag' dich nicht noch einmal: Wo ist der Hund?"

Das ist ...
ein Allzweck- und kein Hochregal!
Also bitte, Martina, das ist nicht egal ...
Ich kann's nun ganz und gar nicht leiden
wenn Menschen bei Möbeln nicht recht unterscheiden
und verzeih, wenn ich hier jetzt dich nachäffend kläff':
"Was soll denn im Estrich das Nuttenrelief?"
Mann! Ich polier' mir die Plaste vom Helm des Wauwaus
und dann hau' ich hier gleich noch die Einladung'n raus!
Dann komm'n hier Kacheln an die Wände
da gibt's Klavierspiel ohne Hände!
Da werd'n dem Frischgefliesten trau'n
die richtig gut gelaunten Frau'n
Dann Rimnini hier, ey – Bikinibikini!
Dann gibt's die Libretti vom Trichter-Puccini!

Ach, was – das Stündchen ist schon um?
Ja, mit dem Hündchen, das war dumm
Ich hab' ihm, ich sag's unumwunden
den Plastetrichter abgebunden
als er hier durch den Keller strich –
ich weiß, der Hasso mag das nich'
Doch er hat, ich denke: unbestritten
darunter nur mental gelitten
kurz aufgejault, eh'r kleinlaut im Ton
ein böser Blick – das war's auch schon!
Er wird wohl grad dort ob'n im Garten
auf etwas Trost von Frauchen warten
(darüber hinaus werd' ich gleich nach der Paus'
glaub' ich, in die Hausstaubschicht der Kachelscheiben
vielleicht noch "Sorry, Hasso!" schreiben)

Und Martina entzieht sich der Staubsilhouette
mit dem Schwung der unglaublichsten Halbpirouette
komponiert auf den Treppen mit kundigem Gang
das Knarzen der Stufen zu wohligem Klang
"Schön gemacht!" hab' ich gedacht und Ach und Ach und Ach und ...

Ach, Bikini Bikini
Guck: Restwertstofftonne
Oh, Milka Nussini
und gütige Sonne
In deren behutsam dosierten Strahlen
sich Ehefrau und Haushund aalen
Welch irdisch beschiedenes, himmlisches Glück!
Ich vernehm' es und geh' in den Keller zurück

- vierzehntes Gedicht/Aufnahme 2008-2010



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