Die im folgenden aufgelisteten Texte sind keine Gedichte, da ich in meiner Zeit als Poetry Slammer in den Jahren vor 2006 ausschließlich Prosatexte vorgetragen habe. Ich denke aber, viele von diesen Texten tragen gleichwohl die lyrische Verdichtung von Sprache in sich.
Will
Kacheln
Ich will Kacheln.
Dieses Tapetengeklebe und Raufasergetue macht mich krank!
Dieses Bahnengewichse und Kleistergeschiss.
Dieses Erfuter-„nicht an der falschen Stelle
sparen“-Genöle der Zollstockzappelphilippinos.
Diese Metylan-Kleisterejakulat abspeichelnden Quast-Kasper.
Baumarktfrischlinge!
Pack!
Was packt ihr denn, he?
Wollt ihr nicht auch mal am Zentner streicheln?
Wie wär’s?
Wollt ihr nicht auch mal den Kachelstapel packen, euch
’n
Bruch heben, das schwarze Stapelband in der Handfläche
zwirbeln
lassen und lauschen, wie die weiß anlaufenden Fingerspitzen
nach
Blutzufuhr japsen?
Lauschen, ob es vielleicht Plopp macht, wenn sich unter der Last euer
Bauchnabel nach außen stülpt und wie das klingt,
wenn der
Leistenbruch im Hüftgelenk schmirgelt?
Und dann daheim die Kacheln, den stolzen Stoff, an die Wände
werfen!
Ignorieren, dass sich links oben das frisch Gekachelte wieder von der
Wand zu lösen beginnt.
Bis uns dann, irgendwann, die komplette, schweineschwere Kachelwand
entgegenstürzt, wir mitsamt Tretleiter rücklings auf
die
Tischkante krachen, auf den Bodenbohlen bluten mit offenem
Oberschenkelhalsbruch und denken: „Poah, Alter!“.
Ich will Notarztwagen.
Ich will Blaulicht in den Straßen, ich will Nachbarnasen an
den
Fensterscheiben, ich will Nachbarn, die nachfragen: „Was ist
denn
da passiert?“
„Ich glaub, der wollte tapezieren oder so...“
Von wegen!
Papier gehört nicht an Wände, Papier ist dort nicht
geduldet,
ist nicht geduldig und ich will mir das auch nicht leisten
müssen.
Auch wenn daran Freundschaften zerbrechen.
Auch wenn Freunde freundlich zum Abendessen eingeladen haben:
„Ich wollte mal was mit Bärlauch ausprobieren, ich
hoffe es
schmeckt!?“
Nein.
„Könnt ihr bitte die Tapeten abnehmen, bevor wir mit
dem
Essen beginnen!?“
„Welche Tapeten?“
„Welche Tapeten! Der ganze Raum ist voll, wir sind umzingelt
von
dem Dreck und ihr fragt: Welche Tapeten? Na, alle! Runter mit der
Seuche, bevor ich auch nur eine Gabel in euren Bärlauchkack
stecke! Wie sieht das eigentlich aus hier?“
Und wie sieht das eigentlich HIER aus, liebe Poetryslam in Druck- und
Pressform abscannenden Sitzhasen?
Ich will Kacheln.
Will klare Kittlinien, will Fugensymmetrie, ich will, dass man diesen
verdammten Text verdammt noch mal kachelt!
Kein Tapetengeklebe und Raufasergetue, kein Bahnengewichse und
Kleistergeschiss, kein Erfurter, Quastquatsch und kein
Bärlauchfraß. Ich will Kacheln.
Ich will Kacheln. Ich will...
Und ich will, dass man sich fragt, was man hier eigentlich tut und ich
will – hechelhechel – ich will, dass man sich
fragt, was
man eigentlich woanders tun könnte und ob man dort jetzt nicht
vielleicht besser hingeht?! Allesamt und unverzüglich?!
Und dann werde ich in diesen leeren, kühlen, gekachelten Text
hineinrufen und mich am Nachhall erfreuen, wie super das doch geklungen
hat.
Ladies!