POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2007 UND FRÜHER

Frank Klötgen: Will Kacheln

Die im folgenden aufgelisteten Texte sind keine Gedichte, da ich in meiner Zeit als Poetry Slammer in den Jahren vor 2006 ausschließlich Prosatexte vorgetragen habe. Ich denke aber, viele von diesen Texten tragen gleichwohl die lyrische Verdichtung von Sprache in sich.

Will Kacheln

Ich will Kacheln.
Dieses Tapetengeklebe und Raufasergetue macht mich krank!
Dieses Bahnengewichse und Kleistergeschiss.
Dieses Erfuter-„nicht an der falschen Stelle sparen“-Genöle der Zollstockzappelphilippinos.
Diese Metylan-Kleisterejakulat abspeichelnden Quast-Kasper.
Baumarktfrischlinge!
Pack!
Was packt ihr denn, he?
Wollt ihr nicht auch mal am Zentner streicheln?
Wie wär’s?
Wollt ihr nicht auch mal den Kachelstapel packen, euch ’n  Bruch heben, das schwarze Stapelband in der Handfläche zwirbeln lassen und lauschen, wie die weiß anlaufenden Fingerspitzen nach Blutzufuhr japsen?
Lauschen, ob es vielleicht Plopp macht, wenn sich unter der Last euer Bauchnabel nach außen stülpt und wie das klingt, wenn der Leistenbruch im Hüftgelenk schmirgelt?

Und dann daheim die Kacheln, den stolzen Stoff, an die Wände werfen!
Ignorieren, dass sich links oben das frisch Gekachelte wieder von der Wand zu lösen beginnt.
Bis uns dann, irgendwann, die komplette, schweineschwere Kachelwand entgegenstürzt, wir mitsamt Tretleiter rücklings auf die Tischkante krachen, auf den Bodenbohlen bluten mit offenem Oberschenkelhalsbruch und denken: „Poah, Alter!“.
Ich will Notarztwagen.
Ich will Blaulicht in den Straßen, ich will Nachbarnasen an den Fensterscheiben, ich will Nachbarn, die nachfragen: „Was ist denn da passiert?“
„Ich glaub, der wollte tapezieren oder so...“
Von wegen!
Papier gehört nicht an Wände, Papier ist dort nicht geduldet, ist nicht geduldig und ich will mir das auch nicht leisten müssen.
Auch wenn daran Freundschaften zerbrechen.
Auch wenn Freunde freundlich zum Abendessen eingeladen haben:
„Ich wollte mal was mit Bärlauch ausprobieren, ich hoffe es schmeckt!?“
Nein.
„Könnt ihr bitte die Tapeten abnehmen, bevor wir mit dem Essen beginnen!?“
„Welche Tapeten?“
„Welche Tapeten! Der ganze Raum ist voll, wir sind umzingelt von dem Dreck und ihr fragt: Welche Tapeten? Na, alle! Runter mit der Seuche, bevor ich auch nur eine Gabel in euren Bärlauchkack stecke! Wie sieht das eigentlich aus hier?“
Und wie sieht das eigentlich HIER aus, liebe Poetryslam in Druck- und Pressform abscannenden Sitzhasen?
Ich will Kacheln.
Will klare Kittlinien, will Fugensymmetrie, ich will, dass man diesen verdammten Text verdammt noch mal kachelt!
Kein Tapetengeklebe und Raufasergetue, kein Bahnengewichse und Kleistergeschiss, kein Erfurter, Quastquatsch und kein Bärlauchfraß. Ich will Kacheln.
Ich will Kacheln. Ich will...
Und ich will, dass man sich fragt, was man hier eigentlich tut und ich will – hechelhechel – ich will, dass man sich fragt, was man eigentlich woanders tun könnte und ob man dort jetzt nicht vielleicht besser hingeht?! Allesamt und unverzüglich?!
Und dann werde ich in diesen leeren, kühlen, gekachelten Text hineinrufen und mich am Nachhall erfreuen, wie super das doch geklungen hat.
Ladies!

- sechster Text/Aufnahme 2007 und früher



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