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Frank Klötgen: Hier ruht unsre viel zu früh von uns geschiedene Dorothee-Cosima

Hier ruht unsre viel zu früh von uns geschiedene Dorothee-Cosima

Dass ich mit meinem müden Leben
Nun hier vor deinem Grabstein steh -
Oh, Cosima! Oh, Dorothee! -
Es lost mich zu den Gewinnern.
Doch lost bin ich im Innern,
Und verdammt mich zu erinnern, ja,
Oh, Dorothee! Oh, Cosima! -
Oh, Doppelnamenbindestrich
Wie einst die linden Götter sich
Auch meiner erbarmten
Und mich freundlich bedamten
Als Dunstkreisgünstling von dir Edelbenamten -
Ja, die Begegnung mit dir, Doro-Cosima
Kam einer Segnung lebhaft nah!
Und erklärt auch dies Grabmal dein Diesseits vorüber,
Bedeckt seine Inschrift auch dich als Ex,
Ich wähn nun deutlich wie perplex
Dein Du mir gegenüber.

Und welch duftiger Anblick ist deine Haut,
So sondergleich und eben,
So bis zum Anschlag aufgefraut -
Mein Herzschlag naht dem Beben!
Ach, wie tuscht's meine Wangen rosigrot,
Wenn unsre Blicke kreuzen -
Welch Kostbarkeit, welch tosend' Not,
Wie's ruft aus feuchten Käuzen,
Die aus dem Tagschlaf wachgerupft
Schreckgroßäugig urplötzen!
Karnickelig werd ich durchhupft
Vom Drang, mich zu ergötzen.

Doch nun hier verbindlich anzubandeln
Trotz meiner Ehrfurcht vorm sperrigen Namensgeflecht?
Welch Anmaßungsgrad würd' solchem Frevel gerecht -
Müsst nicht die Welt zunächst sich wandeln?
Doch ein Spürlein an Hoffnung zieht mich in den Bann -
Denn nun schürzt du die Lippen und, Gott!, sprichst mich an!

Plötzlich öffnet sich vor mir Elysiums Pforte
Und ein Wohlklang von Wörtern ergießt sich in Worte
Ach, könnte ich sie bloß versteh'n -
Oh, Cosima! Oh, Dorotheen!
Jedoch die Wucht der Sehnsucht raubt
Mir alle Sprache aus dem Haupt -
Und den Versuch, sich auszutauschen
Umplustert flugs nur Sinnesrauschen.
Zwar ist der warme Wind deiner Wortproduktion
So All wie -gegenwärtig -
Er strahlt auf mich Vasallenlohn
Und mein Adressat-Sein ehrt mich!
Doch nun, da du mich angesprochen,
Hab' ich doch nicht grundlos hier Lunte gerochen?!
Schon kann neues Begehr'n alten Träumen nicht gleichen -
Vordem Unerreichbares will nicht mehr reichen!

Nein, entreißt alle Rösslein vom Zaum der Kontrolle!
Der Traum muss Exzess sein – er koste, was wolle!
Ich kann nach den Geneigtheit verheißenden Zeichen
Jetzt nicht unversuchend von dir weichen!
Oh, Dorothee! Oh, Cosima!
Ein Momente umkosendes Immerdar
Umfächelt ein Aroma-"Ahhh!"
Von fötenfrischer Geistesreinheit,
Und libidinösem Fleisches Meineid -
Worin sich die Urform der Gleichung beweist,
Um die der Planet unsres Menschentums kreist.
Dieses Veilchenaroma beliebreizten Duftens,
Dieser moschusbeschwerte Fond sinnlichen Schuftens
In den Flauschtierterrains zoologischer Gärten
Die mir ontologische Einsicht gewährten,
Auf dass sich hier Gänsehaut so exponiert,
Als hätte ein Faun meinen Po penetriert.
Und will nicht ein schaurig-schwüler Duft
Auch deinem Kleid entsteigen?!
Ist's nicht, dass süß dein Schößlein ruft,
In Blöße sich zu zeigen?!

Nein?!
Tja, vielleicht lenkte mich hier ein Missversteh'n -
Ich fürcht: Es ist mir anzuseh'n,
Oh, Cosima! Oh, Dorotheen!?
Du wendest plötzlich dich zum Geh'n -
Dein Bindestrich entwindet sich
Und nennt sich fortan Trennungsstrich.
Er bricht, was uns gemeinsam, ab,
Stößt Zuversicht zurück ins Grab!
Ach, zwei edlen Namen galt mein Sehnen -
Bald schien mich jeder abzulehnen!

Und dass ich mit meinem müden Leben nun hier vor deinem Grabstein steh -
Oh, Cosima! Oh, Dorothee! -
Oh, Doppelnamenbindestrich -
Ich sucht' den Tod – er findet dich! -
Nun, das ist fraglos, Tragik pur.
Vor deinem Grabe fragt's mich nur:
Wie sehr war'n einst wir zwei uns nah,
Oh, Dorothee, oh, Cosima?
Hab'n wir uns zu Lebzeiten jemals gesehn?
Und was ist an Zählbarem damals geschehn?
Du Bindestrich im Doppelnamen,
Hat dich nur Phantasies Erbarmen
Mir labsamreich ins Hirn gespuckt?
Bist Du ein gefälschtes Souvenirprodukt?!

Denn
Wenn ich ehrlich bin, war ich mein Lebtag alleine.
Ich vertret auf dem Friedhof mir öfters die Beine
Und erdenk zu manch Grabstein mir meine Geschichten,
Verpack sie dann kackendreist in solch Gedichten.
Ja, ich weiß, solchen Übergriff schilt man: vermessen -
Doch deinem Grab sieht man an: Hier wird jemand vergessen.
Und deines Daseins letzte Spur
Umwuchert wulstig Unkraut nur.
Nur, was ich phantasier hier, hält dich noch im Leben -
Fürs Gedächtnis der Welt hat's dich gar nicht gegeben!

Doch gegen solch ein Fanal fabuliere ich:
Es war einmal ein Bindestrich!
Und nur Dank Poesie ist er immer noch da,
Oh, Dorothee, oh, Cosima!





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