POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2013-2014

Frank Klötgen: Zu der Doofheit des Dorfes

Zu der Doofheit des Dorfes und dem Dumm drumherum

Schon wieder drei Tage im Nirgends gewesen,
Den Luther geblutet für halbgare Thesen –
Mein Zungenjunges abgehetzt,
Am plumpen Stumpfsinn stumm gewetzt
In den engen Gehörgängen törichten Lebens –
Doch das Betören der Toren war völlig vergebens:
Das Dorf ist doof.
Niemand redet das schön.
Dort brütet nur eitel die Einfalt, gewöhn'
Dich dran, Mann –
Erspar' Dir dein Vagabundier'n!
Das Dorf ist verlor'n, es wird nie was kapier'n.

Denn dort grassiert die feist auf Langzeit
Einmassierte Geisteskrankheit
Des mainstreamgemästeten Inzestgestüts –
Die gefräßige Hässlichkeit simplen Gemüts.

Sie brüstet sich rüstig der einfachen Werte
Und entzückt sich am geistlosen Hang zum Banalen –
Man preist, was das Alteingesessene lehrte,
Leistet dreist sich die Abscheu vorm Ornamentalen.

Diese verblödete Ödnis der dörflichen Welt,
Die ja niemals der Glanz von Nuancen erhellt,
Weil ihr Eselsvolk, störrisch und selbstgerecht,
Des ungestört am Stammtisch zecht.
Die woll'n immer nur Wurst und Kartoffelschnaps tanken,
Dürsten stur nach der Hausmannskost fader Gedanken
Im säckigträgen Kleinstadtmuff,
Dem Stefan-Raab-Begacker-Puff.
Subversiv darf es sein – aber bitte als Show!
Auf raffinesselosem, devotem Niveau ...
All das Lärmende lähmt man sich speckig zurecht
Und belechzt irr beim Beck's Bier sein Sinnesverarmen.
Der Zustand: erbärmlich, die Aussichten: schlecht –
Vor Engstirnigkeit ächzen Landpanoramen.

Und Du faselst daher von dem Zauber der Landschaft,
Von sauberen Seen und von Seelenverwandtschaft,
Vom Besinnen auf ländliche Ursprünglichkeit,
Dem Entrinnen von rastlos entfremdender Zeit,
Magst pur – wie's hier scheint's alle tun –
Mit der Natur im Einklang ruh'n?

Du zwitscherst Kitsch, mein Amselkind!
Und Du biederst dich an diesen bied'ren Barbaren,
Sprichst kindlichtrüb, romantikblind –
Nun, das willst Du auch sein, gut, nur sei Dir im Klaren:
Das Dorf ist doof.
Also red' keine Scheiße!
Jeder Tag in Idylle ist verschwendete Zeit.
Auch mir gefällt, wenn die Welt lächelt, Herz, weiße –
Und gern wär' ich hierfür mich zu prügeln bereit!
Doch das Dorf ist verlor'n, es wird nie was kapier'n –
Und, Herr, wurd'n wir gebor'n, dieses Nichts zu durchirr'n?
Diese von debiler Beschränkung verfinsterte Steppe,
Durch die ich oft stur via Tourpläne zappe
Für den einstmals Gut-einmal-noch-letzten-Versuch
Des Versenkens von Versen in Kuhstallgeruch –
Um dann willig in mülliger Gülle zu kentern
Beim bäurischer Hackfressen Sackgassen Entern ...

Welche Unrast verschreibt mir ein Vorwort zum Vorort,
Das Fensterln an der Finsternis?
Ja, bloß zwei Züge später bin ich wieder an Bord dort,
Denn wie winzig die Provinz auch is':
Meine Muse verwehrt mir Mimose zu sein,
Sagt: Schluss, aus und fertig – da musst Du jetzt rein!

Reiß' Dich los von dem labenden Mocca der Stadt,
Von dem stärkenden Äther der städtischen Wonnen –
Noch schockerstarrt, doch behaglichkeitssatt,
Geht's zurück in das Unglück, dem Du just entronnen!
Denn wie erquickend Dich hier Deliziöses beregnet,
Auch unentwegt Dir Ruinöses begegnet –
Und so groß kann keine Großstadt sein,
Dass nicht aus ihren ersten Reih'n
Schielt die Doofheit des Dorfes als das Dumm vom Drumrum.
Nur, das ist halt Dein Publikum!

Erwarte keine Himmelstürmer
Ständig auf Komplizenausschau,
Wohlgerat'ne Bücherwürmer,
Dandymiezen – aus dem Mausgrau
Flüstern keine kapriziösen
"Stil – und bitte viel!"-Souffleusen
Oder Prinzen ungestümer
Lyrik führ'nder Fürstentümer!
Wenn sie Dich on stage kastei'n –
Verdumpft und dumm, bis dass es blutet –
Wenn, weit geöffnet, Wunden spei'n –
Schrei': Hat vielleicht ja ooch sein Jutet!
Denn irgendwann, sagst Du Dir, findest Du Deine Leute ...

Gut, wenn man sich umschaut – vielleicht nicht grad heute!

So schöpf' Mut aus dem mählichen Schwinden des Schorfes,
Aber bleib' auf der Hut!
Vor der Doofheit des Dorfes.



- drittes Gedicht/Video 2013-2014



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