POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2008-2010

Frank Klötgen: Die Dahlien

Die Dahlien (gekürzte Slam-Version)

Immer, wenn die Dahlien blüh'n
so spät im Jahr noch frisches Grün
wenn Knospen sich zum Korb entfalten
und herbstverleug'nde Blütenpracht
gemahnend mein Gemüt entfacht
als ging's drum, sich am Eid zu halten

Merowinger, Karolinger
Varus-, Russ- und Wahnbezwinger
Und dazwischen: Dahlien
So woll'n's die Regularien

Gell, is' nich' dein Ding, Darling: Dahlien
Sagst Hollywoodschaukel, Italien
sagst provenzalische Badgarnitur
Is' ja alles kein Ding – ich erwarte doch nur:
Wenn der Gärtner kommt, bezahle ihn
und frag ihn, ob die Dahlien
an alter Stelle ausgesät
bericht' ihm, dass ich täglich jät'
jed' Unwuchs, jäh und zornig pack'
(trifft alles halt nicht mein'n Geschmack)
Drum Heimaterde, erfreche dich nich'
aus dem Wildwuchs zu schöpfen, sonst reche ich dich
treibe Harke und Forke bis tief in dein Keim-Sein!
Die "Heim ins Reich"-Jugend checkte reich in dein Heim ein
und aus dem Gemeng' ihrer bleichen Gebeine
entwühle ich Torf – den ganz weichen – und meine
dort erschölle aus durcheggter Firnisschicht
das "Ich ist Teil des Wirs"-Gedicht
Komm, koste vom Kompost! Doch dich
fragt's nur: "Sag, Schatz, kam Post für mich?"

Gell, Darling, du ahnst, dass dein Darlehen abläuft
dass dir bald die lahmende Database absäuft?
Nur – gelangst du ans Ufer, leg dein Ohr auf die Erde
und lausche dem Rhythmus der nahenden Herde

Betörend, beschwörend, zusammengehörend:
Bismarckteckel, Runengekrakel
Fremlegionellen und Heimspieldebakel
Und dazwischen: Dahlien
So woll'n's die Regularien

Wenn dann im Herbst die Dahlien blüh'n
wünsch' ich mir kalt und kahl und kühn
Ich möcht' noch einmal Single sein
ob des nektarsatten
Odeurs der Rabatten
Ist das wohl möglich, bitte? Nein?

So kapp' ich derweil meinen Drang nach Taten
Ich kann, grad wenn ich muss, auch warten
Doch klaub' ich – weil nicht winterfest –
aus schorfen Torf und Grindgeäst
die Knollen meiner Dahlien
entkruste und verwahr' sie in
Schatullen aus Eurasien
voll kostbarster Intarsien
und stell' sie zu der Vase hin
in die ich einst hab' Dahlien
arrangiert zu 'nem Strüsschen
interessiert an 'nem Küsschen
als Dank von meinem Da-ah-ling ...

Doch sei halt leider nicht ihr Ding

Gell, weiß ich doch, Darling, du sagtest es ja
– gefläzt ins Gartenmobiliar –
doch wenn Dahlien nicht geh'n, sag mir, was geht dir nah?
Sind es Brustmetastasen und Bronchienkatarrh
sind es Hundebissmuster und Brandwundenflechten
oder Spanferkelkeulen und Ziegenbockschächten?   
Ist es Leithammelleid mit "Oh weh, oh weh!"?
Eine komplikationsreiche Schönheits-OP?
Und denke grad dann, wenn du wieder entspannst
an den Schweiß in den Röllchen vom Bierbauchwanst
denk an malträtierte Streubombenopfer
an Hundehaar im Teppichklopfer
ans Gute, das am Boden liegt!
Und riechst du, wie das alles riecht?
Wie ein Penner, der in seinem Bierschiss verwest!
Ich will dich nicht quälen, will nur, dass du verstehst:
Teer dein Näschen mit solch Abnormalien
doch dann riech – zum Vergleich – an den Dahlien ...!

Nun sagst du, sei ja doch dein Ding, Dahlien?

So woll'n's die Regularien

- zwölftes Gedicht/Aufnahme 2008-2010



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